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Interview zur Ökumenefähigkeit der NAK

Im Januar 2010 veröffentlichte ich ein Interview mit Pastor Tillmann Krüger von der Anskar Kirche Hamburg-Mitte. Zu lesen war es auf einer Website, die es seit einiger Zeit scheinbar nicht mehr gibt (christ-im-dialog.de). Da ich das Interview besonders gut finde, habe ich das Dokument bei mir gefunden und es hier rein kopiert. Für mich gab es Kernaussagen wie "Stammapostel, nehmen Sie die Bibel ernst" und, dass die NAK eher eine Sondergemeinschaft, umgangssprachlich eine Sekte ist.


Die NAK braucht nicht nur Reformen, sondern eine Reformation!

S. Specht: Was sind die Aufgaben einer Kirche?

Krüger: Klassischerweise gibt es Aufgaben nach außen und nach innen. Z. B. wurde früher nach „äußerer“und „innerer“ Mission unterschieden. Äußere Mission: Leute rauszuschicken, die in der ganzen Weltunterwegs sind, um das Evangelium zu verbreiten, um Gemeinden zu gründen, um Menschen zum Glaubenzu führen, in die Jüngerschaft und in die Nachfolge Christi zu führen. Die innere Mission wird heute als„Diakonie“ verstanden, das was man eben auch im eigenen Land getan hat, in den Gemeinden, um Menschen zu helfen, die in Not waren. Das ist sicherlich ein Auftrag, den die Kirche auch heute noch hat. Ich glaube aberauch, es geht um Sakramentsverwaltung, eine Sache, die Kirche als Kirche eigentlich ausmacht, wobeinatürlich zu definieren ist, was „Sakramentsverwaltung“ eigentlich bedeutet. Es geht um gelebte Jüngerschaft, also Nachfolge, es geht um gute, gesunde Lehre und um gottesdienstliche Zusammenkünfte, wobei man natürlich nicht notwendiger Weise in großen Gruppen zusammenkommt, sondern auch in Kleingruppen. Daswären für mich zentrale Aufgaben von Kirche im Allgemeinen.

S.: Welche Aufgaben hat eine Kirche nicht in Bezug auf NAK?

K: Das hängt für mich am Grundverständnis der NAK, vom Apostelamt ab. Ich finde die Formulierungunhaltbar, dass das Apostelamt „heilsvermittelnd“ ist. Warum? Weil für mich die Bibel deutlich macht: „Es gibteinen Gott und einen Mittler zwischen Gott und Menschen, den Mensch Jesus Christus.“ ( 1. Timotheus 2,5). D. h., wenn wir von „Heilsvermittlung“ sprechen, macht die Bibel deutlich, sie geschieht durch Jesus Christus
selbst. Natürlich nutzt Jesus Christus verschiedenste Leute dafür. Das sehen wir im Neuen Testament:Apostel, Diakone, Evangelisten, Propheten, Hirten und Lehrer, Menschen mit vielen verschiedenen Gaben, die gebraucht werden. Allerdings geben sie nicht das Heil weiter, sondern sie verkündigen den einzigen Heilsbringer, Jesus Christus. Diese Heilsvermittlung ist nicht an ein bestimmtes Amt gekoppelt. Das wäre ein
Punkt, an dem ich sagen würde, das bedeutet Kirche für mich nicht. Es bedeutet nicht für mich, dass einer zwischen mir und Gott vermittelt. Aber dafür bin ich auch ein guter
Protestant. Eine grundlegende evangelische Erkenntnis ist, dass der Mensch keinen Mittler mehr braucht zwischen ihm und Gott, sondern, dass er als Individuum vor Gott steht. Diese Erkenntnis hat einen klaren Bezug zum Neuen Testament. Der Autor des Hebräerbriefes verdeutlicht dies beispielsweise, wenn er davon schreibt, dass wir „durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum“ (Hebräer 10,19).
Durch das Blut Jesu – durch seinen Tod am Kreuz, der Frieden mit Gott stiftete – haben wir direkten Kontakt mit Gott. Der Name „Jesus“ (hebr. Jeschua, „Hilfe, Heil, Rettung“) ist programmatisch: Dieser Jesus, der ist der Heilsbringer und bietet das Heil jedem an, der sich ihm glaubensvoll zuwendet. Wie könnte er sonst sagen:„Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Matthäus 7,7)
Da ist nicht die Rede von einem Türsteher, der die Tür zu Jesus noch öffnen müsste (mit kleiner Ausnahme des Heiligen Geistes!). Nein, vom Neuen Testament her ist die Behauptung absurd, es bräuchte noch ein vermittelndes Amt zwischen Gott und Menschen.
Deswegen würde ich sagen, die Neuapostolische Kirche ist für mich im eigentlichen Sinn keine christliche Kirche. Auch wenn Dr. Andreas Fincke in dem EZW-Flyer über die Neuapostolische Kirche von Oktober 2006 schreibt: „ Die Mitglieder sind - ungeachtet der Sonderlehren - Christen“. Das würde ich so nicht sagen. Ich würde sagen: Christ ist, wer Jesus Christus nachfolgt und an ihn glaubt. Die Mitgliedschaft in einer Vereinigung – dies gilt auch für Kirchen – macht mich nicht zu einem Christen. Ich meine zu wissen, warum
Dr. Fincke das schreibt, aber ich würde das anders sehen. Christ wird man nicht durch Mitgliedschaft in irgendeinem Verein, sei er noch so religiös, Christ wird man durch den Glauben an Christus, daher auch der Name „Christ“. Religionswissenschaftlich würde ich die NAK als christliche Sondergemeinschaft einordnen, umgangssprachlich würde man sie eine „Sekte“ nennen. Damit will ich nicht sagen, dass von der NAK Gefahr ausginge und ich will sie auch nicht auf eine Stufe, wenn man so will, mit Scientologen, Zeugen Jehovas oder
Mormonen stellen. Da sehe ich deutliche Unterschiede, die NAK ist wesentlich kirchlicher und christlicher und die NAKler, die ich getroffen habe, sind durchweg bodenständige und solide Mitbürger, mit viel Humor. Ich nehme an, dass nicht nur diejenigen aussteigen, die Humor haben... Nein, im Ernst: NAKler sind Menschen, die wirklich Gott ehren wollen mit ihrem Leben. Sie verstehen sich als große geistliche Familie (immerhin haben sie in  Deutschland etwa 360.000 Mitglieder) und wünschen sich den Anschluss an die Ökumene.

S.: Gibt es im Zusammenhang der Aufgaben einer Kirche Ansichten in der NAK, die Sie nicht teilen würden, wenn Sie an die Worte: „Brautzubereitung“ oder „Wer den Gottesdienst nicht besucht, entzieht sich dem Segen“ denken?
K: „Brautzubereitung“ ist ja so eine Sache, die immer wieder genannt wird. Für mich ist es ein eher fremder Begriff, auch wenn ich weiß, dass das bis zum Knecht Abrahams zurück geführt wird, der für Isaak eine geeignete Frau suchen sollte. Doch gerade dieses alttestamentliche Bild ist aus meiner Sicht völlig ungeeignet, um etwas zur Brautzubereitung“ beizutragen: Der Knecht ist kein Brautzubereiter, er ist ein
Brautfinder. Die Braut ist schon da, sie muss nur noch gefunden werden. Es liegt nicht in der Absicht des Textes in 1. Mose 24, etwas über „Brautzubereitung“ zu sagen. Vielmehr ist davon die Rede, dass der Knecht erfolgreich ist und Isaak eine zu ihm passende Frau findet.
Wenn ich an die Zubereitung der Braut – als Bild für die Gemeinde – denke, dann finde ich im Neuen Testament - und das ist für mich maßgeblich an diesem Punkt - schon auch den Begriff „bereiten“ in Bezug auf die Braut, als der Leib Christi, der sich auf den wiederkehrenden Herrn vorbereitet. Aber wenn ich das mal nachlese, z. B. in Offenbarung 19,7, dann steht da etwas, das ich nicht außer Acht lassen würde im Zusammenhang mit dem Hochzeitsmahl des Lammes: „Lasst uns fröhlich sein und jubeln, und ihm die Ehre
geben, denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen und seine Braut hat sich bereitet.“ Die Braut macht sich selbst bereit. Dazu hat sie kein Amt, das ihr dabei hilft! Ähnliches kann man auch in Epheser 4 sehen: die Verse 11-15 machen deutlich, dass Christus verschiedene Ämter einsetzt (Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer). Es geht um die Zurüstung zum Dienst und zur Auferbauung der Gemeinde. D. h. diese Ämter sind dafür da, dass der Leib Christi auferbaut wird. Nur von „Bereitung“ steht da nichts! Hier steht was
von innerer Erbauung und das Ziel wird genannt, dass nämlich alle hin gelangen „zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes“. Und dass es darum geht, hinzuwachsen, „zu dem hin, der das Haupt ist, Christus“ (Epheser 4,15) Alle Glieder des Leibes definieren sich von Christus her, wachsen zu Christus hin.
Es gibt da keine Vorordnung, höchstens verschiedene Funktionen, wie auch im physischen Leib die Organe verschiedene Funktionen haben. Epheser 4 stellt ganz klar: Das Haupt ist Christus und der Leib, das sind wir. Den von NAK-Seite immer wieder formulierten Auftrag, nämlich, dass die Apostel die Aufgabe hätten, die Braut zuzubereiten für den wiederkommenden Herrn, den kann ich in meinem Neuen Testament nichtansatzweise finden.
Zum Zweiten: Natürlich ist es gut, wenn Christen Gottesdienste besuchen, sich der Gemeinschaft mit Mitchristen nicht entziehen. Der Autor des Hebräerbriefes ermahnt, die „Versammlungen“ nicht zu verlassen (Hebräer 10,25). Nur den Besuch des Gottesdienstes als einzigen Weg zum göttlichen Segen zu stilisieren, halte ich für übertrieben. Ist dann ein Arzt im Krankenhaus, der eine 80-Stunden-Woche hinlegt, und selten am
Gottesdienst teilnehmen kann, vom Segen Gottes abgeschnitten? Oder die alleinerziehende Mutter, die es einfach nicht schafft, am Wochenende auch noch mit Kindern in den Gottesdienst zu kommen? Hier wird ja demjenigen, der einen Gottesdienst nicht besucht, geradezu Absicht unterstellt und aus meiner Sicht in unguter Weise Druck aufgebaut: „Komm ja in den Gottesdienst, sonst hast du keinen Segen!“ Wer bleibt dann
noch zu Hause? Nur: Was ist das für eine Gemeinschaft, wenn zumindest manche nur aus der Angst heraus da sind, dass sie den versprochenen Segen nicht verpassen wollen? Ich gebe gerne zu, dass ich mir wünschen würde, dass alle meine Gemeindeglieder stets in den Gottesdienst kommen würden, was nicht der Fall ist. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass jeder, der nicht kommen kann, auch gute Gründe dafür hat und finde Druck in dieser Hinsicht nicht produktiv.
S.: Welche Menschen haben bereits jetzt das ewige Leben?
K.: Ich glaube, dass jeder, der an Jesus Christus glaubt und bekennt, dass er der Herr ist, das ewige Leben hat. Und zwar jetzt schon, nicht erst irgendwann in ferner Zukunft. Das lese ich z. B. aus Römer 10,10: „Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.“ Mit „Gerechtigkeit“ ist hier die Gerechtigkeit gemeint, die auch
im Kapitel 1 des Römerbriefes genannt wird, die „Gerechtigkeit durch Glauben“ und mit dem Mund wird bekannt zum Heil bzw. zur Rettung. Es geht hier um einen Glauben, der von Herzen kommt, „Herz“ hier im biblischen Sinne verstanden, nicht nur als Sitz der   Emotionen, sondern als Lebensmitte des Menschen. Es wird nicht nur äußerlich geglaubt, sondern es wird innerlich geglaubt. Und dieser innerliche Glaube fließt über,sodass der Mund das erfahrene Heil, das schon da ist, bekennt. Heil empfängt man nicht als etwas
Zukünftiges, sondern Heil hat man. Auch da bin ich grundsätzlich protestantisch, so dass ich sage:
In Christus
habe ich das Heil.
Ich muss aber auch deutlich betonen, dass ich niemals sagen würde, neuapostolische Mitglieder wären per se
keine Christen. Umgekehrt würde ich aber auch nicht sagen, was Dr. Andreas Fincke schrieb, dass alle
neuapostolischen Mitglieder – ungeachtet der Sonderlehren – auch gleichzeitig Christen seien. Da gilt es aus
meiner Sicht zu differenzieren: Ich würde schon sagen, dass es durchaus in der Neuapostolischen Kirche
Mitglieder gibt, die Christen sind, weil sie Jesus Christus nachfolgen. Und das ist das Entscheidende!
S.: Inwiefern ist zwischen einer Freikirche und NAK Ökumene möglich?
K.: Was ist „Ökumene“? Ich glaube, dass wir einen konstruktiv- kritischen Dialog führen sollten. Das würde ich
mir wünschen. Miteinander reden und zu ringen über zentrale Glaubensinhalte des christlichen Glaubens –
ohne allerdings Wichtiges und Zentrales des lieben Friedens willen zu opfern! Ich glaube jedoch, dass diese
Art des Ringens und miteinander Redens von Seiten der NAK gar nicht erwünscht ist, weil sie unter
Umständen einige ihrer Positionen korrigieren müsste. Ich gebe zu, dass es bei den klassischen Freikirchen
auch teilweise ähnlich ist. Es gibt durchaus Dispute, z. B. über die Tauffrage, über die Frage der Stellung und
der Rolle des Heiligen Geistes oder auch über die Frage von Frauen in Leitungspositionen. Trotzdem können
die verschiedenen Freikirchen miteinander arbeiten und Ökumene vor Ort leben, weil das keine trennenden
Merkmale der Kirche sind.
Aber wenn es um Fragen geht wie: Entschlafenenwesen, Versiegelung mit dem Heiligen Geist, Exklusivität
der Heilsvermittlung und Stellung des Apostelamts, dann kommen wir an zentrale Fragen heran, die aus
meiner Sicht eine gelebte Ökumene erschweren. Auch wenn Gegenteiliges behauptet wird, wird doch deutlich,
dass andere Kirchen, nicht nur Freikirchen, höchstens „Elemente der Wahrheit“ – meinetwegen auch:
„vielfältige Elemente der Wahrheit“ – wie schön!! – haben und glauben, aber dass die eigentliche Wahrheit im
Schatz – und somit im Besitz – der NAK liegt. Und so lange das wirklich geglaubt, bekannt und geschrieben
wird, ist eine wahre Ökumene schwierig, weil eine wahre Ökumene sagt: „Wir haben einen Schatz und das ist
Jesus Christus, wir haben 'einen Herrn, einen Glauben und eine Taufe' [Epheser 4,5] und da sehen wir unsere
Einheit. Deswegen können wir zusammen arbeiten, auch wenn wir in manchen Themen, wie etwa der Frage
nach dem Heiligen Geist, der Frage nach dem Taufritus oder der Frage nach der Anzahl der Sakramente
differieren.“
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Aber das sind dogmatisch gesehen Randfragen. Wenn es um die zentrale Frage geht, wer hat das Heil und
vermittelt das Heil, und wie können wir als Christen gemeinsam leben, dann wird es schwierig mit der
Ökumene der NAK. Also ich wünsche mir einen konstruktiven Dialog! Ich wünsche mir, dass die NAK sich
auch noch wesentlich verändert. Ich wünsche mir, dass sie sich wirklich zu Jesus Christus hin entwickelt und
ihm wirklich nachfolgt. Denn dann würde sie wirklich eine christliche Kirche werden. Das kann ich jetzt jedoch
noch nicht sehen.
S.: Wie sind die Ökumenebemühungen der NAK zu verstehen?
K.: Ich kann verstehen, dass es ein Ziel der NAK ist, auch Ökumene zu leben in einer Zeit – das wird ja
begründet in verschiedenen Papieren und Stellungnahmen –, in der auch die Christenheit in ihrer Gesamtheit
im Westen stark zerfällt und die Inhalte ihres christlichen Glaubens aufgibt. Da wird es wichtig, sich auf die
eigentliche Mitte zu konzentrieren und eben nicht alleine, sondern mit anderen Christen zu stehen.
Doch dies wird von verschiedenen Freikirchen genau beobachtet. Die sagen, dass die NAK im eigentlichen
Sinne keine christliche Kirche ist. Sie bringt Sonderlehren mit, die sie eine Sondergemeinschaft sein lassen.
Ich persönlich würde auf keinen Fall behaupten, dass sie auf einer Ebene zu sehen ist wie die Zeugen
Jehovas oder die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (Mormonen), das ist für mich noch mal eine
andere Nummer, weil es da viel mehr um „Sonderoffenbarungen“ geht – durch die Wachturmgesellschaft oder
eben auch durch das Buch Mormon. Die NAK gründet sich ja nicht zu Unrecht in vielem, was sie sagt, auch
deutlich auf die Bibel. Eine sorgfältige Exegese der Bibeltexte, die zugrunde gelegt werden, zeigt allerdings
dann auch auf, dass die Texte nicht das zu begründen vermögen, was behauptet wird. Das kann man ohne
Weiteres für viele Bereiche nachweisen: Texte werden arg aus ihrem Zusammenhang gerissen oder eben sehr
einseitig verstanden. Das wäre natürlich eine Frage, die man klären müsste.
Insgesamt ist es gut und wichtig, dass die Bibel durchaus das Grundlagendokument in der NAK ist. Da, würde
ich sagen, haben die Zeugen Jehovas eine ganz andere Struktur und ganz andere Vorgaben, die neben der
Bibel geglaubt werden, die Mormonen neben dem Buch Mormon sowieso. Da würde ich schon ein
Unterschied machen, die NAK ist wesentlich „christlicher“ und „kirchlicher“. Trotzdem denke ich, dass zurzeit
eine wirkliche Ökumene nicht möglich ist. Denn zentrale Aussagen christlichen Lebens und christlichen
Glaubens werden stark überstrapaziert bzw. in einer sehr engen Weise verstanden. Es zeigt sich ja auch, dass
es bisher keine wirklich klar gelebte Ökumene zum Beispiel im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher
Kirchen, der Evangelischen Allianz oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen gibt, weil die eben sagen,
und auch nicht zu Unrecht sagen: „Hier haben wir es mit einer Sondergemeinschaft zu tun, die im tiefsten
Sinne eben nicht christlich ist, wie unsere anderen Mitgliedskirchen.“
S.: Welche Hindernisse machen Ökumene mit der NAK unmöglich?
K.: Das hab ich ja schon angedeutet. Ich glaube, dass das Verständnis des Apostelamtes – das hat Helmut
Obst ja auch sehr gut herausgearbeitet – eine starke Exklusivität mit sich bringt, auch wenn dies immer wieder
verneint wird: „Nein, wir sind gar nicht exklusiv“. Die NAK, so wie sie aufgestellt ist, muss exklusiv sein, sonst
ist sie nicht mehr neuapostolisch! Der ganze Anspruch zerfällt, wenn man das Apostelamt aus der NAK
entfernte. Dann bliebe nicht mehr viel übrig – und von daher stellt sich die Frage: „Wie kann Ökumene gelebt
werden, wenn ein zentraler Grundgedanke Ökumene geradezu verhindert?“ Ökumene ist nur möglich, wenn
man sich auf das Gemeinsame eint, wenn Zentrales zentral ist und anderes peripher bleiben darf. Im Falle der
NAK geht es aber nicht um die Peripherie, sondern um zentrale Glaubensaussagen, die von ihrem
Exklusivverständnis her gemacht werden.
Das ist für mich die Quadratur des Kreises. Bei allen Bezeugungen und Bekundungen sollte man auch dazu
die neueren Verlautbarungen lesen oder sich auch mal mit dem sog. „Uster-Abend“ (Informationsabend am
24.1.2006 aus Uster in der Schweiz) beschäftigen. Da wird in aller Deutlichkeit gesagt: „Das Apostelamt ist
heilsnotwendig und die Spendung der Sakramente ist an das Apostelamt gebunden.“ Da können andere
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christliche Kirchen einfach nicht mitkommen, weil sie nicht apostolisch in diesem Sinne sind. Selbst eine
Taufanerkennung ist überhaupt nicht einfach. Es ist ja ein schöner Schachzug, wenn man sagt: „Wir erkennen
die Taufe einer anderen Kirche an.“ Aber auf der anderen Seite wird deutlich gesagt, die Taufe sei nur ein
Nahekommen an Gott, das Eigentliche geschehe dann erst bei der Heiligen Versiegelung, die nur durch das
Apostelamt vermittelt werden kann und erst dann ist man sozusagen richtig in der Gemeinschaft der Erlösten
und in der Gemeinschaft der Gläubigen angekommen. Damit fügt die NAK etwas zur christlichen Taufe hinzu,
was aus meiner Sicht die Taufe entwertet, die andere christliche Kirchen spenden, und letzten Endes für mich
auch Ökumene unmöglich macht. Sie wird formal anerkannt aber dann inhaltlich doch wieder so abgewertet,
so dass man sich fragen muss: Kann man so wirklich Ökumene leben? Ich glaube, das ist der Knackpunkt, um
den es eigentlich geht. Es geht nicht so sehr um das Entschlafenenwesen, auch wenn man dazu vielleicht
viele Fragen haben könnte.
Die Frage ist vielmehr: Wie soll so eine Ökumene aussehen, wenn die Grundvoraussetzungen, die Frage
nämlich, „Wie wird ein Christ ein Christ?“ so völlig verschieden bewertet wird? Auch wenn formal gesagt wird,
z. B. im Selbstbild der Neuapostolischen Kirche vom 4.12.2007 unter Punkt eins, dass „neuapostolische
Lehraussagen ihre Grundlage in der Heiligen Schrift haben“. Das finde ich schön, aber ich bezweifle es! Sie
haben ihre Grundlagen in Bibelversen, die in besonderer Weise ausgelegt werden. Das ist klassisches
Zeichen einer Sondergemeinschaft. Man nimmt bestimmte Verse, man reißt sie aus dem Zusammenhang und
baut daraus eine Lehre - auch teilweise aus Versen, die nur einmal in der Bibel überhaupt etwas zu einem
Thema sagen und kommt dann natürlich auch bei einer etwas anderen Lehre an, als sie die großen Kirchen
und auch die Freikirchen miteinander teilen. Das ist eben das, was Ökumene behindert und aus meiner Sicht -
sofern sich da nicht was fundamental ändert - auch nicht möglich machen wird. Nun wäre aber für mich die
Teilnahme an der Ökumene kein Gradmesser dafür, dass die NAK orthodox ist. Das ist glaube ich eher der
Versuch, sich an die Ökumene anzunähern, um stärker aus der Sektenecke herauszukommen, nicht mehr als
religiöse Sondergemeinschaft zu gelten und insgesamt anerkannter zu sein.
Ich kann verstehen, wohin es führen soll, aber wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass es so nicht
funktioniert, solange nicht fundamentale Glaubensaussagen und Dogmen der NAK revidiert werden. Die
neuesten Veränderungen am Lehrgerüst der NAK könnte ich nach meinem Kenntnisstand nur als „Kosmetik“
bezeichnen. Es ist eine Kosmetik, weil ganz klar gesagt wird, z. B. auf dem Uster-Abend: „Wir rücken vom
eigentlichen Zentrum gar nicht ab.“ Und das finde ich konsequent! Man würde ja eigene Glaubensaussagen
über den Haufen werfen! Das ist konsequent, das verstehe ich völlig. Nur, letzten Endes ist es doch so, wenn
die NAK aufhören würde, neuapostolisch zu sein, müsste sie sich fragen: „Wem schließen wir uns jetzt
eigentlich an?“ Ich kann mir nicht vorstellten, dass so etwas so ohne weiteres und ohne Turbulenzen über die
Bühne geht. Das zeigt ja die Geschichte der Neuapostolischen Kirche, die ja wirklich von Anfang an von
Spaltungen durchzogen ist. Nun kann man natürlich fairer Weise sagen, dass ist bei anderen Freikirchen auch
nicht anders, das stimmt natürlich, vielleicht ist es auch allzu menschlich, dass man sich spaltet, aber ich finde
schon bis in die Anfänge der NAK wird so deutlich, wie zart und zerbrechlich dieses Glaubensgebilde
eigentlich ist und wie schnell das kaputt geht. Auf diesen Hintergrund ist es eigentlich verwunderlich, wie stark
die NAK – gerade auch in den letzten 20 Jahren – weltweit gewachsen ist. Das ist schon ein sehr
interessantes Phänomen! Aber wer groß wird, ist nicht unbedingt im Recht. Das muss man auch verstehen.
Wenn Größe ausdrücken würde, wir haben die Wahrheit gebunkert, dann müssten wir alle katholisch
werden...
S.: Würden Sie behaupten, dass es nur in einer einzigen Kirche oder einer Glaubensrichtung das
vollkommene Heil gibt? Was halten Sie von der Aussage von Peter Johanning, „nur wo Apostel wirken,
gibt es Kirche im Vollsinn?“
K.: Das ist wiederum konsequent für jemanden, der in der NAK ist, weil die Apostel ja Heil vermitteln, logisch!
Wenn Apostel diejenigen sind, die Heil vermitteln, dann kann natürlich nur das im Vollsinn Kirche sein, wo
Apostel wirken! Meine Frage wäre ja, warum hat Gott 1700 Jahre das Apostelamt vergessen und dann wieder
neu gestiftet? Was ist in der Zwischenzeit gewesen? Ich finde es schon etwas überheblich, zu sagen: „Wir
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haben jetzt die wahre, reine Lehre – nicht nur nach Jahrhunderten, sondern schon fast nach Jahrtausenden –
wieder gefunden und sie wurde uns offenbart und deswegen sind wir im Vollsinn Kirche.“
Ich möchte hier gerne eine Analogie bringen: Die Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Heiligungsbewegung
entstandene Pfingstbewegung hat im eigentlichen Sinne nichts Neues erfunden. Die in der Pfingstbewegung
auftretenden Phänomene (Sprachenrede, prophetische Rede usw.) hat es in der Kirchengeschichte immer
wieder gegeben. Sie sind nicht plötzlich neu entdeckt oder neu offenbart worden. Es hat sicherlich vor allem
auch in der Anfangsphase erhebliche Probleme im Umgang und in der Deutung dieser Phänomene gegeben,
die ja nachgerade in Deutschland auch eine unsägliche Spaltungsgeschichte heraufbeschwört haben.
Inzwischen gehört über die charismatische Bewegung dieser zunächst als „pfingstlerisch“ oder gar
„schwärmerisch“ betitelter Umgang mit den Gaben des Heiligen Geistes zum Allgemeingut vieler Kirchen,
inklusive der Charismatischen Erneuerungsbewegung innerhalb der Katholischen Kirche. Damit will ich nicht
sagen, dass es an diesem Punkt spannungsfrei zugeht. Nur eines ist deutlich: Hier hat sich gerade kein
Absolutheitsanspruch durchgesetzt, sondern eine Erfahrung, die auch Christen anderer Konfessionen und
Denominationen gemacht und in ihr persönliches Glaubensleben wie in das Leben ihrer Kirche eingebracht
haben.
Das ist ja genau der Punkt, warum Ökumene mit der NAK nicht funktioniert! Weil da eine Kirche ist, die da
sagt: „Wir allein sind die eigentliche Kirche und alle anderen haben nur Elemente – meinetwegen auch
'vielfältige Elemente' – von Wahrheit – aber eben nur Elemente von Wahrheit! Ich kann das in meiner Bibel
nicht lesen. In meiner Bibel steht, dass Jesus Christus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
(Johannes 14,6) D. h. wer Jesus Christus hat, der hat das Leben und wer ihn erkennt, erkennt die Wahrheit,
die ihn frei macht (Johannes 8). Da wird deutlich, das hat nichts mit Kirchenvermittlung zu tun, das hat nichts
damit zu tun, ob ich einen Apostel habe oder nicht – das hat etwas damit zu tun, ob ich eine fundamentale
Beziehung zu diesem Jesus habe, ob ich ihm nachfolge, ob ich ihn kenne, ob ich ihm ähnlicher werde, oder
wie Paulus es ausdrückt: „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“ (Kolosser 1,27) Und: „Ist jemand in
Christus, so ist er eine neue Kreatur.“ (2. Korinther 5,17) Diese beidseitige Beziehung mit Christus, dass wir in
Christus sind und Christus in uns, oder wie Johannes es ausdrückt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Johannes 15,5)
Das ist christlicher Glaube! Das ist klar bezeugtes neutestamentliches Christsein. In der Verbindung zu Jesus
Christus. Im Leben aus ihm heraus. Dass er sein Leben in uns lebt. Aber das hat überhaupt nichts damit zu
tun, ob es irgendein Amt gibt, das irgendetwas vermittelt!
Ich möchte gerne dazu ein kleines – zugegebenermaßen recht konstruiertes – Beispiel geben: Jemand ist in
der Wüste, der noch nie etwas vom Christentum gehört hat und der nun eine Bibel findet und darin das
Johannesevangelium aufschlägt und merkt, dass er sein Leben Gott unterstellen, es Jesus Christus
anvertrauen soll (vgl. Johannes 20,30f.). Er spricht dann ein Gebet, so wie er es gerade kann und fällt kurz
darauf tot um, ohne Heilsvermittlung, ohne Taufe – ich bin überzeugt, er hätte das ewige Heil! Ohne, dass ihm
irgendjemand das Heil vermittelt hätte! Letzten Endes ist Gott selbst der Vermittler. Oder um es zu präzisieren:
Es ist der Heilige Geist,
• der „der Welt die Augen auftut über die Sünde“ (Johannes 16,8). Er schafft die grundsätzliche
Erkenntnis, dass wir ohne Gott verloren sind.
• der Jesus Christus in uns groß macht, denn er wird „mich verherrlichen“ (Johannes 16,14), sagt
Jesus, und uns Dinge von Gott offenbaren (vgl. 1. Korinther 2,12). Das ist die Aufgabe des Heiligen
Geistes! Das heißt: Ich kann völlig ohne heilsvermittelndes Amt Heil erhalten!
Das ist natürlich ein bisschen ketzerisch gesagt. Ich möchte damit nicht die Taufe als überflüssig erscheinen
lassen. Natürlich soll man sich taufen lassen! Aber von einer darauf folgenden Versiegelung, die
gewissermaßen heilsnotwendig ist, steht nichts in meiner Bibel. Da ist sehr wohl auch von einer Versiegelung
durch den Heiligen Geist die Rede, z. B. In Epheser 1,13. Aber diese Versiegelung wird nicht durch ein Amt
vermittelt. Sie geschieht durch den Geist Gottes selbst, er ist der Handelnde, wenn man sich den Text genauer
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anguckt. Am ursprünglichen Pfingsten war kein Apostel da, der den Geist hätte spenden können
(Apostelgeschichte 2). Petrus und die anderen waren da, aber haben doch nichts vermittelt! Sie haben es
einfach empfangen, durch einen souveränen Akt des Heiligen Geistes, und so finde ich es schwierig, wenn
Kirche nur „im Vollsinn da ist, wo Apostel sind“. Das zeigt diesen Exklusivitätsanspruch, der weder biblisch
haltbar ist, noch christlich haltbar – und der, so er aufrecht erhalten wird, dafür sorgen wird, dass die NAK
weiterhin eine christliche Sondergemeinschaft bleibt – aber eben keine christliche Kirche.
S.: Wer sollte Ihrer Meinung nach Apostel einsetzen? - Wenn überhaupt?
K.: Wenn ich es kurz formulieren sollte: Gott selbst setzt Apostel ein.
Wenn wir das Neue Testament lesen, fällt auf, es gibt 11 Apostel, ohne Judas, er war zwar als Apostel
bestimmt, hat aber sozusagen sein Amt „abgegeben“. Matthias wird nachgewählt und wir hören danach von
ihm nichts mehr. In der gesamten Bibel spielt der Mann keine Rolle! Gut, wenn man manchen altkirchlichen
Überlieferungen Glauben schenken möchte, wird man herausfinden, dass so ziemlich alle Apostel als Märtyrer
ums Leben kamen. Man erfährt dann noch so einiges, was im Neuen Testament nicht beschrieben wird. Das
Neue Testament erwähnt an vielen Stellen aber auch andere, die nicht zum ursprünglichen Zwölferkreis um
Jesus gehörten, die Apostel genannt werden. Am prominentesten ist sicherlich der Apostel Paulus. Er macht
im ersten Kapitel des Galaterbriefes deutlich, dass er eine von den anderen Aposteln unabhängige Berufung
durch Jesus Christus empfangen hat. Aber auch Jakobus, der Bruder des Herrn, der die Gemeinde in
Jerusalem geleitet hat (siehe Galater 1,19 und 2,9 sowie Apostelgeschichte 15,13-21), wird als Apostel
bezeichnet. Ebenso Barnabas (Apostelgeschichte 14,4.14) und Silas (1. Thessalonicher 2,7).
Die Katholische Kirche bezieht sich direkt auf den Primat des Bischofs von Rom (nichts anderes ist im Grunde
genommen der Papst), den sie zurückführt bis auf Petrus und Paulus, nach der Überlieferung in Rom
gestorben, beide Grundväter der Kirche. D.h. von Petrus und Paulus her begründet sie eine ganze Reihe, die
so genannte apostolische Sukzession, bis zum heutigen Papst. Wenn ein neuer Papst von der
Kardinalsversammlung gewählt wird, sieht man darin auch ein Wirken Gottes. Nun muss man wissen, dass
sich diese apostolische Sukzession erst nach und nach im Kampf zwischen der römischen Kirche und der
Ostkirche als eines der wesentlichen Argumente für die Vormachtstellung Roms durchgesetzt hat. Und: Es
lassen sich heute mit Genauigkeit zwar Sukzessionslisten der einzelnen Bischöfe, Kardinäle und Päpste
nachweisen, die aber nie vor das 12. Jahrhundert greifen. Von daher ist die Gültigkeit dieser Sukzession
ziemlich umstritten.
Ich denke, dass es auch heute noch Apostel gibt! „Apostel“ heißt ja nichts anderes als Bote und Gesandter an
Christi Statt zu sein, das ist ein Auftrag, den wir alle haben, siehe 2. Korinther 5. Es gibt Menschen, die in
einem besonderen Maße national, möglicherweise auch international, einen Dienst versehen, der eben über
den eines Gemeindeleiters oder eines Bischofs, die jeweils nur einen bestimmten Wirkungskreis haben,
hinaus geht. Da würde ich durchaus den Begriff „Apostel“ oder „apostolisch“ verwenden. Ohne jetzt zu sagen,
es muss Apostel geben, die wir einsetzen oder diese Apostel hätten eine bestimmte Rolle in der
Heilsvermittlung – das will ich gar nicht sagen. Ich würde mich an Männern freuen (auf die Frage einer
weiblichen Apostelin möchte ich hier jetzt nicht näher eingehen), die eine apostolische Gabe haben und dem
Leib Christi weltweit dienen und zwar auch über Kirchengrenzen hinaus. Das hätte für mich etwas
Apostolisches. Aber wenn jemand kommt und sagt: „Ich bin Apostel“, da wäre ich vom Titel her sehr vorsichtig.
Es gab ja auch kürzlich jemanden hier in Deutschland (Helmut Bauer aus Röhrnbach in Bayern), der sich
Apostel genannt hat, später sogar „Völkerapostel“. Für mich zeugt dies davon, dass man nicht nur „Pastor“
sein will, sondern noch mehr ist und eine größere Funktion hat. Da das Amt des Papstes ja schon vergeben
ist, nimmt man was Ähnliches – also „Apostel“.
Vom Neuen Testament her sind die Begrifflichkeiten nicht so fest gelegt und wir finden ja auch gerade im
Zusammenhang mit Texten zur Gemeindeleitung viele verschiedene Titel: Da gibt es „Diakone“, da gibt es
„Bischöfe“, da gibt es „Presbyter“, also „Älteste“. Verschiedene Titel werden da verwendet und man kann keine
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einheitliche Ämterführung daraus ableiten und sagen: „So muss es sein!“ Es gibt eine gewisse Vielfalt darin.
Und diese Vielfalt sollten wir uns aufrecht erhalten und uns nicht zu sehr an bestimmte Titel klammern. Der
Begriff des Hirten, Priesters, Pastors – „Pastor“ heißt ja „Hirte“ – ist sicherlich auch eine der Bezeichnungen,
die verwendet werden, gerade auch im Hinblick auf Epheser 4. Aber es wird an keiner Stelle deutlich, dass ein
Pastor so eine zentrale Funktion hat, wie er sie häufig in christlichen Kirchen hat. So können sich auch Titel
weiter entwickeln und verselbständigen, ich kann damit leben, dass es in der Katholischen Kirche Bischöfe
und Kardinäle gibt, ich kann damit leben, dass es einen Papst gibt, ich kann damit leben, dass manche Leute
sich Apostel nennen, damit habe ich prinzipiell keine Probleme, solange eine klar erkennbare Frucht auf ihrem
Dienst liegt.
Wenn man mich fragen würde, was die Kernberufung eines Apostels ist, dann würde ich sagen, es ist ein
Dienst, der über die normalen Gemeindedienste weit hinaus geht, der damit zu tun hat, dass der Leib Christi
als solches auferbaut wird und möglicherweise auch viele Gemeinden gegründet werden, wie es im Dienst
von Paulus auch war. Er hat viele Gemeinden gegründet und ist viel gereist. Der apostolische Dienst wäre in
weiten Teilen auch ein Reisedienst und hätte mindestens nationalen Charakter. Er wäre letztendlich auch zur
Zurüstung der Heiligen, wie es in Epheser 4 deutlich wird. Die Erbauung des Leibes Christi wäre das Maß, an
dem ich einen Apostel messen würde. Trägt das, was er tut, etwas Subtanzielles dazu bei, dass der Leib
Christi auferbaut wird und mehr zum Haupt, zu Jesus Christus, hinwächst? Dass Leute in die Nachfolge von
Jesus gerufen werden und dass da auch eine gewisse Frucht auf seinem Dienst liegt. Wenn ich dieses
Kriterium nicht anlegen kann, fällt es mir schwer, von Aposteln zu reden. Darüber hinaus würde ich auch
sagen: Ein Apostel wirkt nicht nur in seiner Kirche, sondern hat auch über Kirchengrenzen hinweg eine
auferbauende Wirkung. Der Apostel Paulus hat sich z. B. in der Geldsammlung für die arme Gemeinde in
Jerusalem stark gemacht, obwohl sie gar nicht zu seinem „Bereich“ gehörte (vgl. 2. Korinther 8 und 9).
S.: Haben Sie hinsichtlich der frei vorgetragenen Predigtpraxis Bedenken?
K.: Grundsätzlich würde ich sagen, jede Predigt sollte gut vorbereitet sein. Ich würde Geistleitung und
Spontaneität nicht gleichsetzen wollen. Ein von mir verehrter, großer Prediger des 19. Jahrhunderts, Charles
Haddon Spurgeon, hat einmal gesagt: „Bereite dich gut auf die Predigt vor, dann lass dein Skript auf deinem
Platz liegen, gehe auf die Kanzel und erfinde die Predigt neu.“ Ich finde das frei Vorgetragene nicht schlecht –
es ist lebendiger, direkter und möglicherweise auch persönlicher als wenn ich an irgendeinem Manuskript
hänge. Ich bin dann auch freier, dem Geist Gottes zu folgen, Dinge zu sagen, die ich so gar nicht geplant
habe. Das ist das Positive dabei!
Wenn es aber heißt, man darf sich gar nicht vorbereiten, dass eine sorgfältige Vorbereitung quasi Sünde wäre,
weil wir alles dem Geist Gottes überlassen müssten, dann strapaziert man da etwas. Evangelische Predigt ist
deshalb evangelische Predigt, weil das Evangelium eine große Rolle spielt und weil das Wort Gottes
ausgelegt wird. Wie Luther sagte: „Sola scriptura“. Es gilt nur die Schrift! Diese Schrift soll in der
Evangelischen Predigt rübergebracht werden, lebendig gemacht werden, sie soll im Leben der Menschen
Frucht bringen. Wenn das das Ziel ist, dann behaupte ich, ohne Vorbereitung kann man gar nicht recht
predigen! Weil wir hier Texte als Grundlage für die Predigten haben, die mindestens 1900 Jahre alt sind und,
die einen, wie Lessing mal sagte „garstigen Graben“ zwischen uns und dem Text entstehen lassen, den wir
überbrücken müssen.
Nun kann man vielleicht (mit Lessing!) sagen, lassen wir es gleich, ist sowieso unmöglich. Ich würde sagen
nein, wir müssen uns Mühe geben, sie zu verstehen: Was bedeuten diese Texte? Und wir müssen uns
reinknien, auch im Gebet, uns bemühen, dieses Wort zunächst in seinem ursprünglichen Zusammenhang zu
verstehen, um dann natürlich auch eine gewisse Transferleistung zu bringen, was dieser Text für uns heute
bedeutet. Diese Frage muss gestellt werden. Aber: Diese Frage der Anwendung auf die Zuhörer, die in der
Predigt auch geschehen soll, ist nur der letzte Akt einer längeren Beschäftigung mit dem Bibeltext, bei dem
man erst mal genau hinsieht, den genauen Zusammenhang wahr nimmt, inhaltlich, literarisch, sozio-kulturell,
geschichtlich: Worum geht es da? Dann muss man bestimmte Schlüsselbegriffe verstehen und den
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Hintergrund der Geschichte selbst. Und erst nach dieser Beschäftigung kann man im Grunde genommen die
Frage stellen: „Was bedeutet das für unser Leben?“ Und diese Transferleistung, diese Arbeit, diese Mühe, die
setze ich für eine gelungene Predigt voraus. Martin Luther zum Beispiel hat Theologie studiert und kannte die
Grundsprachen der Bibel, Hebräisch und Griechisch. Ansonsten hätte er die Bibel nicht übersetzen können!
Luther war es sehr wichtig, auch möglichst nahe am Text zu sein, wenn er predigte.
In diesem Sinne kann eine frei vorgetragene Predigt, die nicht vorher durch die Tiefen und möglicher Weise
Untiefen des eigentlichen biblischen Textes gegangen ist, auf den sie sich bezieht, nur oberflächlich sein und
geht leider – in vielen Fällen – an dem vorbei, was der Text eigentlich sagen will. Das halte ich für sehr
gefährlich! Ich predige ja doch nur das, was ich gerade verstehe und das, was mir gerade in den Sinn kommt.
Es ist dann allenfalls eine Predigt über den Text und darüber, wie ich ihn verstehe, doch damit entferne ich
mich vom Text. Aus meiner Sicht predigt wahre evangelische Predigt nicht über einen Text, nimmt nicht einen
Text als Sprungbrett, nach dem Motto: „Das ist der Text und ich sage euch mal, was ich gerade erlebe und wie
es mir damit geht.“ Nein, mit meinem Dozenten Prof. Helge Stadelmann, der mich in die Kunst des Predigens
eingeführt hat, möchte ich betonen: Eine wahre, evangelische Predigt predigt DEN Text und nimmt ihn ernst
und will dieses Wort fruchtbar machen für die Zuhörer.
Ich möchte dies gerne mit einem Bild vergleichen: Diese Arbeit am Text ist so etwas, wie wenn ein Weinkenner
in seinen Weinkeller geht und ein schöne alte Flasche Wein findet, sie entstaubt und das Etikett versteht. Er
weiß, was es für eine schöne Flasche Wein ist, wo dieser Wein und wie er angebaut wurde, was es für ein
Jahrgang ist usw. Er entkorkt sie, testet den Wein – natürlich nur in der angemessenen Temperatur und in
passenden Gläsern – und kommt mit all dieser Mühe, die mit diesem Wein verbunden ist, zu seinen Leuten,
mit denen er ein Festmahl hält. Er schenkt den Wein aus und kann ihnen genau sagen, was sie jetzt
schmecken: Ob da ein Himbeer- oder Erdbeeraroma, vielleicht auch Nuss oder Vanille oder ähnliches
hervorsticht, wo und wann der Wein noch „voll“ ist und wie der Abgang ist. Der Zuhörer schmeckt den Wein
daraufhin ganz anders, als ob er selbst ein Connaisseur wäre, der sich diese Arbeit gemacht hätte. Das ist die
Frucht einer guten Predigtvorbereitung und die kann man durch nichts ersetzen.
An dieser Stelle komme ich nicht umhin festzustellen, dass die NAK bewusst keine theologische Ausbildung
ihrer Amtsträger anbietet oder zumindest ermutigt. Das finde ich bedenklich. Es wäre sicherlich für die NAK
Gewinn bringend, wenn sie Theologen hätte, die ihre Lehre mitprägten und die auch im lebendigen Austausch
mit Theologen anderer Kirchen stehen. Ich kann mir einen Ökumeneprozess ohne eine stärkere theologische
Öffnung und Durchdringung der NAK nicht vorstellen.
S.: Wie denken Sie über Manipulation und seelischer Gewalt in der Neuapostolischen Kirche. Ex-
Apostel Sepers sprach von einem „geistlichen Konzentrationslager“.
K.: Der Begriff „Konzentrationslager“ ist natürlich ein sehr heftiges Geschoss. Härter kann man gar nicht
schießen! Ich muss sagen, dazu bin ich vielleicht zu wenig in der NAK drin. Ich habe hier und da mal mit
Leuten gesprochen, die ausgestiegen und ausgetreten sind und die hier und da auch Dinge erlebt haben, die
sicherlich manipulativ waren. Ich glaube grundsätzlich den Aposteln, Bezirksaposteln und Bezirksältesten, die
in Schreiben deutlich gemacht haben, dass seelische Gewalt nicht beabsichtigt ist. Es hängt ein bisschen mit
dem Selbstverständnis der NAK zusammen. Wenn sie sagt, wir sind Vollkirche im eigentlichen Sinne und wir
sind Gemeinschaft der Braut, die zubereitet wird, um dem wiederkommenden Herrn entgegenzugehen, dann
ist es natürlich mit Schmerzen verbunden, wenn jemand diese Gemeinschaft verlässt. Und natürlich muss
man versuchen, alle im Boot zu halten. Das Schlimmste, was der NAK passieren kann, sind viele Austritte und
viele, die die „Arche“ verlassen. Ich kann verstehen, dass man darum kämpft und man versucht, die Leute zu
halten. Dass dies hier und da auch als manipulativ empfunden wird und dass hier und da vielleicht auch Dinge
gesagt und geschrieben wurden, die mit seelischer Gewalt zu tun haben, finde ich in dieser Tatsache
begründet. Aber ich würde niemanden unterstellen wollen, dass es mit Vorsatz geschehen würde oder ein
System hätte. Ich glaube, es ist das System NAK an sich, die eben sagt: „Hier ist das Heil und wer weg geht
hat möglicher Weise das Heil nicht mehr.“ Es ist für sich betrachtet eine kleine seelische Grausamkeit, zu
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sagen: „Gut, du weißt, wenn du hier gehst, dass du dein ewiges Seelenheil verspielst – unter Umständen! Wir
wollen dir nur in Liebe mitgeben, dass das so sein könnte“. Das ist natürlich für manche Aussteiger schwer
und macht es natürlich schwer, sich davon zu erholen.
Ich kann nur jedem Aussteiger raten: Such dir eine gute, christliche Gemeinschaft, in der du ankommst,
gesund wirst und lass zu, dass deine Wunden wirklich heilen und geh nicht so schnell darüber hinweg. Es ist
immer so, wenn man aus etwas aussteigt, was für einen wie Familie war und ganz viel bedeutete, dass das
nicht so spurlos an einem vorübergeht. Dass hier dann von seelischer Gewalt gesprochen wird und Dinge
gesagt wurden, die nicht weise waren und falsch verstanden wurden, oder eben dann doch anders verstanden
wurden, als sie vielleicht gemeint wurden, kann ich auf diesem Hintergrund sehen, ohne es damit
entschuldigen zu wollen. Aber von einem „geistlichen Konzentrationslager“ zu reden, das finde ich persönlich
zu stark. Ich würde sagen, das Kennzeichen einer Sondergemeinschaft ist, dass sie eine starke
Kohäsionskraft besitzt und man versammelt sich um ein bestimmtes Zentrum herum. Jeder der da raus fliegt,
raus geht oder sich raus zieht, der stellt sich außerhalb der Gemeinschaft, der spürt das dann auch, dass er
nicht mehr dazu gehört. Das ist bewusst so und hängt mit dem Selbstverständnis der NAK zusammen.
S.: Was denken Sie über die Aktivitäten wie die Suche nach Wahrheit, wie es sie bis 2006 in
Blankenese gegeben hat? War das Verhalten der Kirchenleitung hinzunehmen?
K.: Das führt mich zu einem Punkt, den ich gerne machen will: Die NAK bekennt, dass sie Jesus Christus klar
nachfolgen will. Da ist sie völlig biblisch und das schreibt sie auch in ihrem Verständnis der Heilsnotwendigkeit
des Apostelamts in der Katholisch- Apostolischen Kirche, da wird gesagt: „Christus ist der alleinige Weg zum
Heil für alle Menschen“. Da sag ich „Ja! Ja und Amen dazu!“ Da bin ich absolut dafür und kann nur zustimmen!
Kein Heil außerhalb von Jesus Christus. Die Frage, die ich aber dazu stellen würde, wäre folgende: Ist in der
NAK klar, wer Jesus Christus ist?
So steht z. B. auch unter Punkt 7 in dem Selbstbild der Neuapostolischen Kirche vom 4.12.2007: „Jesus
Christus, von dem die Heilige Schrift zeugt, steht im Mittelpunkt des Glaubenslebens der neuapostolischen
Christen.“ Das, würde ich sagen, ist eine Glaubensaussage, aber keine faktische Aussage. Im Mittelpunkt der
NAK steht nicht Jesus Christus, sondern die neuapostolische Lehre, bzw. Sonderlehre – mit dem
Stammapostel, mit Apostelamt, mit der Versiegelung, mit dem Entschlafenenwesen und so weiter und so fort.
Jesus Christus kommt da aus meiner Sicht nur am Rande vor. Es wird zwar in neueren Verlautbarungen auch
empfohlen, in der Bibel zu lesen, aber es wird nicht viel dazu gesagt, es wird gar nicht gesagt, wie man sie
liest und wie man sie verstehen soll, wie das gehen soll.
Einige Leute aus Blankenese habe ich ja auch persönlich kennen gelernt. Die haben Jesus Christus kennen
gelernt, auf eine für sie neue Art und Weise, wie sie ihn vorher nicht kannten und kamen dann in Konflikt. Für
sie war nicht mehr die neuapostolische Lehre im Mittelpunkt ihres Glaubens, sondern Jesus Christus. Und die
Lehre der NAK wurde zusehends an den Rand gedrängt. Das hat natürlich zu massiven Konflikten geführt und
es wurde versucht, von der Kirchenleitung Verständnis zu geben und beizusteuern, aber es kam ja letzten
Endes kein wirklicher Dialog zustande. Das führte zu Amtsenthebungen und dazu, dass Leute ihre Ämter
niedergelegt haben und dann z. T. auch die Blankeneser Gemeinde verlassen haben – was ich konsequent
finde!
Wenn ich merke, dass im Mittelpunkt meines Glaubenslebens jetzt etwas anders steht, dann wäre es falsch,
bei dem zu bleiben, wo ich vorher war. Formal bekennt die NAK, dass Jesus Christus im Mittelpunkt steht,
aber ich empfinde es anders, bei allem was ich darüber lese – auch in den Fragen und Antworten [von 1992]: Es
geht immer wieder um die Sonderlehren, es geht immer wieder darum, was die NAK ausmacht und eben
gerade nicht um Jesus Christus. Das kann man auch nachweisen in der Predigtpraxis: Wieviel wird in den
neuapostolischen Kirchen von Jesus Christus gepredigt? Relativ wenig! Er kommt da zwar mal vor, aber
Jesus Christus ist in der NaK eher eine Randfigur, im Zentrum steht das Apostelamt. Jesus Christus ist der
wiederkommende Herr, der aber bis zu seiner Wiederkunft nicht viel zu sagen hat, weil er ja die Apostel
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eingesetzt hat, die sich um das „irdische Business“ kümmern. Das ist für mich problematisch und das ist
sicherlich der Grundkonflikt, der in Blankenese vorherrschte und der dazu führte, dass es dort zu erheblichen
Turbolenzen kam.
S.: War das Verhalten der Apostel denn hinzunehmen?
K.: Ich kann das aus Sicht der Apostel verstehen, wie sie sich verhalten haben. Das ist konsequent!
In dem Moment, wo sie gesagt hätten: „Ihr habt ja Recht! Stimmt!“ hätten sie sich selbst ändern müssen, an
entscheidenden Fragen und sogar Lehrpositionen. Das ist, zumindest im Moment, nicht möglich. Letzten
Endes haben sie das getan, was gute Kirchenfunktionäre immer tun in so einer Situation: Sie halten die
ureigenen Lehren hoch, und jeder, der da nicht mit rein kommt, der muss dann den Hut ziehen und gehen.
Das ist immer so gewesen. Das war bei Martin Luther so und das war in langen Zeiten der Kirchengeschichte
so und ist hier auch so gewesen. Ich vermag nicht zu beurteilen, inwiefern das Verhalten der Apostel
angemessen ist oder nicht angemessen ist. Das müssen die Apostel selber beurteilen. Aber eins ist mir doch
deutlich: In dem Moment, wo der Stammapostel sagt, „Ihr Lieben, ich habe mich geirrt und das Apostelamt ist
eigentlich gar nicht so heilsnotwendig wie wir immer dachten,“ in dem Moment könnte sich was in der NAK
bewegen – davon bin ich überzeugt. Aber ich glaube nicht, dass das so schnell geschehen kann. Ich frage
mich auch, was passieren würde, wenn der Stammapostel wirklich so etwas sagen würde.
Der Austritt des ehemaligen NAK-Apostels Sepers vor einigen Jahren zeigt leider, dass eigentlich nichts
passiert, wenn was passiert. Es gibt zwar ein bisschen Bewegung in der ganzen Sache. Doch insgesamt wird
deutlich: Wo Einzelne den Weg heraus fanden, folgen ihnen vielleicht Einzelne, aber die große Wende gibt es
nicht. Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass es eine Kirche gibt, die ebenfalls weltweit aktiv ist
wie die Neuapostolische Kirche, die sich innerhalb eines Jahrzehnts vom Status einer christlichen
Sondergemeinschaft hin zu einer christlichen Kirche mit orthodoxer Lehre entwickelt hat: die Weltweite Kirche
Gottes, die seit 2009 im internationalen Bereich Grace Communion International heißt. Sie hat weltweit zwar
nur 42.000 Mitglieder, hat aber ihre Hinwendung zu Jesus Christus nicht nur halbwegs gut, sondern
hervorragend überstanden. Da hat Gott viel Gnade geschenkt. Dies wäre mein tiefster Wunsch und mein
Gebet für die NAK.
Ich glaube allerdings, dass dies ein sehr radikaler Systemwechsel ist, der nicht so einfach vollzogen wird. Das
berichten auch die Mitglieder von Grace Communion International. Und da gibt es eben Gemeinden wie
Blankenese, die eine gewisse Erneuerung erlebt haben, die aber dann doch wieder zurückgepfiffen werden,
so dass es wieder in den Mainstream der NAK passt. Übrig bleiben dann noch ein paar Erinnerungen an
Zeiten, als es eben noch ein bisschen „wilder“ zuging. Vielleicht wird hier und da mal immer noch ein bisschen
anders, freier gepredigt, vielleicht gibt es hier und da mal welche, die sich treffen und die Bibel lesen. Letzten
Endes hat sich dadurch aber die NAK in ihrem Kern – und darum geht es hier ja – nicht verändert.
S.: Verpasste Reformen?
K.: Ich glaube, dass die NAK keine Reformen braucht, sondern eine Reformation. Und inwieweit sie da
wirklich offen ist, kann ich nicht beurteilen. Es ist ein Irrglaube zu denken, was so groß und weit verzweigt ist,
könne sich so einfach verändern. Das braucht ein Wunder Gottes und ein massives Eingreifen des Heiligen
Geistes, weil es ja nicht nur darum gehen kann, dass nur einer – in diesem Fall der Stammapostel – zu einer
neuen Erkenntnis kommt, sondern es geht ja darum, dass die gesamte Kirche mitkommt. Und das ist eine
Sache, selbst wenn sie geschähe, von Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Sie muss sich dann ja auch im Kern
reformieren und neu gestalten. Sicherlich, wenn das geschähe wäre die Frage der Ökumene völlig neu
gestellt. Das ist klar und es wären völlig neue Möglichkeiten da. Aber für mich sieht es fast so aus, dass wenn
dies geschähe, dies einer faktischen Selbstauflösung der Neuapostolischen Kirche entspräche. Es müssten ja
alle Sonderlehren aufgegeben werden, weil sie nicht den normalen christlichen Grundaussagen entsprechen.
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S.: Wenn Sie den Stammapostel auf eine Tasse Kaffee treffen würden, was würden Sie ihn hinsichtlich
der NAK raten? Würden Sie ihm zur Ökumene irgendetwas sagen?
K.: Ich würde mich freuen, wenn ich mit ihm mal sprechen könnte. Ich glaube allerdings nicht, dass die NAKSeite
mit einem „kleinen Fisch“ wie mir reden wollte. Ich könnte dem Stammapostel ja ohnehin nur – wenn
auch mit anderen Worten und vielleicht noch etwas ausführlicher und begründender – das sagen, was ich
auch hier vertrete und ich nehme mal an, dass er das eigentlich nicht hören möchte, schon gar nicht von
einem völligen Außenseiter, der ja aus seiner Sicht gar nicht richtig mitreden kann. Es hat ja tatsächlich in der
Vergangenheit Gespräche mit dem damaligen Bezirksapostel, dem jetzigen Stammapostel, Wilhelm Leber,
gegeben. Mein Vorgänger in der Gemeindeleitung (Pastor Wolfram Kopfermann) hat, initiiert von einem
Freund von mir, der leider früh verstorben ist (Pastor Markus Auras), auch an einem Gespräch mit Amtsträgern
der NAK teilgenommen. Ich finde, solche Gespräche sind wichtig und notwendig.
Was ich ihm sage würde? Erst mal würde ich ihn gerne kennen lernen wollen, herausbekommen: Was ist das
für ein Mensch? Dazu muss ich sagen, ich habe alle Leute, wirklich ohne Ausnahme, die ich bisher kennen
gelernt habe, die im Bereich der Neuapostolischen Kirche unterwegs sind bzw. waren als sehr nette,
zuvorkommende, freundliche Menschen erlebt. Also ich sehe da nicht den wilden „Sektierer“, der einen mit
seiner Mission überrumpelt und zwingen will, ihm zu glauben.
Ich würde dem Stammapostel gerne folgendes sagen: „Nehmen Sie die Bibel ernst, nehmen Sie das ernst,
was Sie selbst sagen“ und wenn er das wirklich täte, glaube ich, müsste er manche Dinge ganz anders sagen.
Das ist eigentlich der NAK zu wünschen, dass sie versteht, dass gesunde geistliche Lehre notwendig ist, um
auch zu einer gesunden Nachfolge zu kommen. Und dass die Kernsätze Luthers solus Christus - allein
Christus, sola fide - allein der Glaube, sola gratia – allein die Gnade, und natürlich auch sola scriptura - allein
die Schrift, dass dies die Dinge sind, die allein die Kirche tragen und erhalten. Wilhelm Leber kann sich
durchaus auch ein Beispiel nehmen am derzeitigen Papst, der im ersten Band seiner Jesus - Biografie sehr
deutlich macht, wie er zur Heiligen Schrift steht und sie auch sehr klar auslegt, fast ohne Rückgriffe auf
Kirchenväterzitate oder Allegorien. Er hat sich mit diesen Schriften offensichtlich sehr intensiv beschäftigt. Man
muss mit ihm nicht einer Meinung sein, aber es ist doch klar, dass er sich selbst versteht als jemanden, der
Jesus Christus nachfolgt und als oberster Kirchenlehrer das Wort Gottes in aller Ernsthaftigkeit auslegt. Nun
würde Wilhelm Leber sicherlich sagen: „Aber das tu ich ja“ und da würde ich ihm eben an einigen Stellen
sagen: „Nein, aus meiner Sicht sieht es hier eindeutig anders aus“. Eine sorgfältige Exegese kommt zu
anderen Schlüssen als denen, die er zieht und das würde ich ihm gerne ans Herz legen. Beschäftigen Sie sich
mit der Bibel, lesen Sie sie auch mal „gegen den Strich“ und lassen sie sich durch die Heilige Schrift auch
korrigieren. Wenn wir die Heilige Schrift als Korrektiv verlassen, begeben wir uns auf sehr morastigen Boden.
S.: Was kann man von der Neuapostolischen Kirche lernen?
K.: Ich denke schon, dass man von der NAK lernen kann. Was immer wieder auch erwähnt wird und mir
immer wieder auch deutlich geworden ist: Die NAK ist eine große Familie. Und das ist wie ein Geheimnis ihres
Erfolgs, dass sie eine starke Kohäsionskraft hat. „Unsere Familie“ heißt ja ihre interne Zeitschrift und das
macht deutlich, wie man sich selbst versteht. Der Wert der Familie ist ein wichtiger Wert, der vielen Menschen
Halt gibt und geben soll und auch geben kann – und auch so von Gott her intendiert worden ist. Die Familie
ist Gottes Erfindung. Darin liegt ein Geheimnis, was man in christlichen Kirchen auch neu entdecken und
fruchtbar machen kann.
Zum anderen zeichnet die NAK auch eine klare Struktur aus. Sie macht deutlich, wer der Chef vom Ganzen ist
und wie entsprechende Prozesse zu laufen haben. Das hilft sehr, wie man auch an der Katholischen Kirche
sehen kann. Ohne Klarheit in der Struktur könnte ein so vielfältiger und großer Apparat, wie es die NAK ist,
nicht zusammen halten.
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Und ich denke, was man auch von der NAK lernen kann, ist, dass sie ein weltweites Engagement hat. Sie ist
fast überall anzutreffen. Und es ist schon interessant zu sehen, dass sie das eben auch auf dem Herzen trägt
und in guter Hinsicht auch missionarisch ist. Wenn Sie an die Entwicklung in Afrika denken, ist das schon
interessant. Das kann man von der NAK lernen. Wobei ich natürlich sagen muss, einige Dinge im Kern sind
leider faul und dann kann die Frucht nicht ganz so gut sein.
Diese drei Dinge: Die große Familie, die klare Struktur, das weltweite Engagement kann man von der NAK
lernen. Das ist begrüßenswert und schön. Häufig findet man es ja vor, dass Kirchen sich nur um ganz kleine
Räume drehen und eben diesen weltweiten Fokus gar nicht haben. Das finde ich schade. Wir leben in einer
globalen Welt in einem globalen Zeitalter und an diesem Punkt macht die NAK ihre Arbeit sehr gut.
S.: Stellen Sie Ihre Gemeinde vor!
K.: Die Anskar-Kirche in Deutschland ist eine kleine evangelische Freikirche, mit Gemeinden in Hamburg, in
Schenefeld bei Hamburg, in Wetzlar, Marburg und Bad Arolsen und mehreren Gemeindegründungsprojekten.
Sie ist vielfältig ökumenisch aktiv, in der Evangelischen Allianz und als Gastmitglied in der Vereinigung
Evangelischer Freikirchen. Die Anskar-Kirche Marburg ist auch in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher
Kirchen. Auch in Hamburg laufen zurzeit Gespräche mit der ACK, um eine Gastmitgliedschaft anzustreben. In
Hamburg sind wir Teil des KELCH (Kreis zur Einheit des Leibes Christi in Hamburg) und der Initiative
Gemeinsam für Hamburg, einem Netzwerk von mehr als 80 Gemeinden und christlichen Werken. Wir leben
Ökumene so gut wir können, veranstalten mit anderen Gemeinden zusammen Konferenzen und gründen
Gemeinden von Herzen, weil wir wissen, dass neu gegründete Gemeinden ein guter Weg sind, Menschen für
Jesus Christus zu gewinnen. Wir führen seit über drei Jahrzehnten Grundkurse des Glaubens durch, weil wir
festgestellt haben, dass ein normaler Deutscher die Grundlagen des Glaubens gar nicht mehr kennt.
Die Gemeinde, zu der ich gehöre (die Anskar-Kirche Hamburg-Mitte), hat knapp 300 erwachsene Mitglieder,
Tendenz leicht steigend. Wir sind eine sehr aktive Gemeinde (manchmal müsste man uns wohl ein bisschen
mehr bremsen…). Neben Kindergottesdiensten haben wir auch einen Pfadfinderstamm der Royal Rangers,
bieten Konfirmandenunterricht an und haben eine Jugend. Dann gibt es eine große Hauskreisarbeit mit 25
Hauskreisen, die sich im gesamten Stadtgebiet treffen. Wir feiern sonntags zwei Gottesdienste, um 10 und 19
Uhr. Montags bieten wir sowohl eine Lebensmittelausgabe für Bedürftige an, zu der etwa 130 Personen
kommen, als auch eine Selbsthilfegruppe für Suchtkranke. Wir haben ein großes Seelsorgeteam und
veranstalten regelmäßig – alle zwei Monate – Heilungsgottesdienste, weil wir davon überzeugt sind, dass Gott
auf unsere Gebete hin auch körperlich heilen will (auch wenn nicht jeder geheilt wird, halten wir daran fest!).
Zweimal im Jahr geht eine Kollegin von mir mit einem größeren Team auf die in Hamburg stattfindende
Esoterikmesse, um von der heilenden Kraft Jesu Christi zu erzählen und Menschen kostenloses Gebet
anzubieten. Darüber hinaus haben Mitglieder unserer Gemeinde eine überregionale Arbeit mit aufgebaut, die
sich um Sucht- und Gewaltprävention von Fußballfans kümmert, die Totale Offensive. Natürlich haben wir
auch einen Seniorenkreis und bieten diverse Freizeitangebote an. Wahrscheinlich habe ich jetzt auch noch
einiges vergessen, wie gesagt, wir sind ziemlich aktiv...
Ich selbst bin verheiratet, habe zurzeit zwei Kinder (das dritte erwarten wir Ende April/Anfang Mai). Ich habe
an der Freien Theologischen Akademie in Gießen Theologie studiert und im Anschluss an der University of
Gloucestershire in Cheltenham (England) zu einem Bereich der Theologie des Alten Testaments promoviert.
Seit 2005 bin ich Pastor der Anskar-Kirche Hamburg-Mitte und seit 2008 Leitender Pastor, als Nachfolger von
Pastor Wolfram Kopfermann. Ich bin Mitglied der Kirchenleitung der Anskar-Kirche Deutschland, Leiter des
Studienzentrums Hamburg der Kompass-Bibelschule und im Mitglied im Arbeitskreis für evangelikale
Theologie (AfeT).
Ich freue mich über das, was zurzeit wächst und glaube, dass wir als Kirche einen kleinen Beitrag zur
Kirchenlandschaft in Deutschland leisten können. Wir verbinden Tradition und Innovation in einer Art und
Weise, wie es andere vielleicht nicht tun. Wir bauen gerne Brücken in vielerlei Richtungen. Zu den
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Charismatikern hin, zu den Pfingstlern hin, zu den Landeskirchen, zu den klassischen Kirchen hin, die Liturgie
hochhalten, die ja auch für uns ein ganz wichtiges Thema ist. Vom äußeren Erscheinungsbild her, aber auch
von der inneren Haltung her. Wir feiern in jedem unserer Gottesdienste das Abendmahl und halten uns vom
Gottesdienstablauf in der Regel an die klassische lutherische Gottesdienstagende.
Wir wollen die Tradition nicht wegwerfen, sondern sie hochhalten, wo sie glühende Kohle und nicht mehr nur
noch Asche ist, wie z. B. in den altkirchlichen Bekenntnissen. In ihnen wird das ganze Ringen nach Wahrheit
in den Anfängen der Kirche deutlich. Deshalb sehen wir uns trotz unseres jungen Alters in einem Segensstrom
der Tradition der Kirche als Leib Christi. Prägend für unser Selbstverständnis ist sicherlich auch, dass wir das
Leben und den Glauben der ersten Christen als maßgeblich für uns betrachten. Wir nennen es „das normale
neutestamentliche Christsein“, in dem wir keine Ausnahme, sondern die von Jesus Christus gesetzte und
gewünschte Regel sehen. Natürlich war auch im Neuen Testament nicht alles in Butter – es gab da
Streitigkeiten, Zwiste, Spaltungen, Irrlehrer und dergleichen. Dennoch haben die ersten Christen in einer
Vollmacht gelebt und mit einem Mut das Evangelium verkündet, der für uns Vorbild ist. So sind die
neutestamentlichen Schriften für uns Maßstab und nicht nur Desideratum, nach dem Motto: „Es wäre schön
das mal irgendwann zu haben.“ Vielleicht könnte man unser Motto „Back to the roots“ oder „ad fontes“ nennen:
zurück zu den Wurzeln bzw. zur Quelle, um uns von ihr zu speisen. Dabei aber die Tradition nicht über Bord
werfen und offen bleiben für eine gelebte Ökumene. Nicht sich selbst absolut zu setzen, sondern die Vielfalt im
Leib Christi begrüßen und umarmen – ohne gleich jeden Trend mitmachen zu müssen und notwendigerweise
überall dabei sein zu wollen. Dafür sind wir sowieso zu klein...
S.: Vielen Dank für das Gespräch!

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